Ulrich Bücholdt

Bauhistoriker, M.A. – dwb, GWWG, GBTG

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Datenbank zur Bau- und Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts für den deutschsprachigen Raum

 


Architekturwettbewerbe


w0272

Hauptbahnhof Hamburg
1900
Aufgabe: Bahnhofs-Empfangsgebäude mit Bahnsteighalle(n) und Straßenüberführung des Steintordamms
Standort: Hamburg, Glockengießerwall / Steintorwall / Kirchenallee / Ernst-Merck-Straße / Steintordamm
Auslobung: 10.06.1900
Frist: 20.12.1900, 12 Uhr
Auslober: Königlich Preußische Eisenbahn-Direktion Altona (nachfolgend kurz: KED Altona)
„Es ist das dritte Mal, dass die preußische Staats-Eisenbahn-Verwaltung zur Gewinnung des Entwurfs für einen bedeutsamen Bahnhofsbau den Weg des öffentlichen Wettbewerbes wählt, und die guten Erfahrungen, die sie damit in Frankfurt a. M. und Köln gemacht hat, mögen sie auch bestimmt haben, ihn auch diesmal zu versuchen. Ob er sich in diesem besonderen Falle und für eine Aufgabe, die so schwierig und verwickelt ist, wie die vorliegende, empfahl, ist uns freilich etwas zweifelhaft. Denn es handelt sich bei derselben weniger um einen sogen. "glücklichen Wurf" als um die liebevolle Vertiefung in eine Summe von Einzelheiten und es kann als sicher gelten, dass die Hoffnung auf Sieg für die Theilnehmer noch geringer als gewöhnlich ist. Wahrscheinlich hat jedoch der Wunsch, der in erster Linie interessirten Architektenschaft Hamburgs eine Betheiligung an den Entwurfs-Arbeiten zu ermöglichen, für die Wahl eines Wettbewerbes den Ausschlag gegeben.“ (Deutsche Bauzeitung 1900)
Bedingungen / Umfang: deutsche Architekten
Kostenrahmen: 3,5 Millionen M
Lageplan 1:500, Grundrisse und Ansichten 1:200, drei Innenansichten 1:100, "zwei Blätter der in Eisen- und Steinarchitektur zu gestaltenden Fassaden" 1:50, zwei perspektivische Ansichten von vorgegebenen Standpunkten;
„Es sei [...] nur bemerkt, daß den Theilnehmern außer einem Gesammtplan und einem besonderen Lageplan des Bahnhofsgeländes auch eine in der Direktion bearbeitete Grundriß-Skizze des Empfangs-Gebäudes unterbreitet ist, welche über die Forderungen und Wünsche der Verwaltung Aufschluss gewährt. [...] Weit über das Maaß des Üblichen hinaus gehen die Anforderungen inbezug auf die Kostenberechnung, durch welche nachzuweisen ist, daß die Bausumme von 3.500.000 M nicht überschritten wird. Auch eine klare Darlegung der Konstruktionen wird verlangt, und es erscheint fast als eine Anwandlung von Milde, wenn auf statische Berechnungen verzichtet wird.“ (Deutsche Bauzeitung 1900)
vorgesehene Preisverteilung: 12.000 M / 6.000 M / 3.000 M, Ankäufe zu je 1.500 M vorbehalten
Preisgericht: Geheimer Baurat Rudolf Caesar (Leiter des Technischen Büros der KED Altona, Leiter der Planungen zum Umbau der Groß-Hamburger Bahnanlagen)
Oberbaudirektor Prof. Dr. phil. h.c. Joseph Durm (Leiter der großherzogl. badischen Baudirektion in Karlsruhe, Prof. an der TH Karlsruhe)
Martin Haller (Architekt in Hamburg, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft)
Wilhelm Hauers (Architekt in Hamburg, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft)
Oberbaudirektor Dr.-Ing. E.h. Karl Hinckeldeyn (Dirigent der Hochbauabteilung beim preuß. Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Berlin)
Geheimer Regierungsrat Prof. Eduard Jacobsthal (Professor an der Architektur-Abteilung der TH Charlottenburg)
Geheimer Oberbaurat Friedrich Jungnickel (Präsident der KED Altona)
Dr. jur. Johannes Christian Eugen Lehmann (1826-1901) (Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg) (09/1900 wegen Krankheit zurückgetreten)
Oberingenieur Franz Andreas Meyer (Leiter des Ingenieurwesens bei der Baudeputation der Freien und Hansestadt Hamburg) (verhindert)
Senator William Henry O’Swald (1832-1923) (kaufm. Senator, Präses der Deputation für Handel und Schiffahrt der Freien und Hansestadt Hamburg)
Regierungs- und Baurat Alexander Rüdell („in leitender Stellung in den Eisenbahnabteilungen“ beim preuß. Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Berlin)
Ministerialdirektor Oberbaudirektor August Schroeder (Direktor der technischen Abteilung für das Eisenbahnwesen beim preuß. Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Berlin, Vorsitzender des Vereins für Eisenbahnkunde) (verhindert)
Prof. Friedrich von Thiersch (Professor an der Architektur-Abteilung der TH München)
Geheimer Baurat Edmund Waldow (Vorstand beim Hochbauamt im sächs. Finanzministerium in Dresden)
Baudirektor Johann Zimmermann (Leiter des Hochbauwesens bei der Baudeputaion der Freien und Hansestadt Hamburg)
Ersatz für die drei ausgefallenen Preisrichter durch:
Senator Dr. jur. Max Predöhl (1854-1923) (Rechtsanwalt, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg)
Bauinspektor Eduard Vermehren (tätig bei der Hamburger Baudeputation)
Geheimer Baurat Schürmann (Hamburg?)
Tagungstermin: 25.01.1901?
Anzahl der eingereichten Entwürfe: 19
prämierte Entwürfe / Teilnehmer: kein 1. Preis
zwei 2. Preise (je 8.000 M):
- „Sprich für mich“, Eisenbahnbauinspektor Ernst Moeller (KED Altona)
- Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth (Berlin-Charlottenburg)
zwei 3. Preise (je 4.000 M):
- Baurat Ernst Schwartz (KED Altona)
- Jürgen Kröger (Berlin)
zum Ankauf empfohlen:
- „Brunellesco“, Hermann Billing (Karlsruhe)
- „Eisen“, Fritz Klingholz (Berlin)
- „Brahms“, Otto Sturm und Paul Huber (Frankfurt am Main)
sowie evtl. eine „ehrenvolle Auszeichnung“ für einen weiteren Entwurf von Jürgen Kröger (Berlin)?
weitere Entwürfe / Teilnehmer: - „Ratio“, Franz Schwechten mit Ingenieurbüro Havestadt & Contag [Christian Havestadt und Max Contag] (Berlin)
- „Bilde, Künstler, rede nicht“, Johannes Vollmer (Berlin) und Heinrich Jassoy (Stuttgart)
- „1901“, n.n.
- „Zero“, n.n.
- „Kum doch ein mal en bitschen neger ran“, n.n.
sowie:
- [♀], n.n., „ganz außerhalb der Programm-Bedingungen stehende Arbeit“ (Faulwasser)
- [Grüne Scheibe], n.n., „der sich in bewußter Absicht vom Programme lossagt und deshalb von dem Wettbewerb ausgeschlossen werden mußte“ (Rüdell 1901)
Wahrscheinlich ist mit der Umschreibung des statt eines Mottos verwendeten Symbols [Grüne Scheibe] bzw. [♀] derselbe Entwurf gemeint.
„Die Besprechung der Wettbewerbentwürfe darf aber nicht abgeschlossen werden, ohne den ungewöhnlich hohen Stand der Durchschnittsleistung hervorzuheben. Selten ist bei einem öffentlichen Wettbewerb eine verhältnißmäßig so bedeutende Zahl von gediegenen, mit Sachkenntniß und Talent behandelten Entwürfen eingegangen, selten war der Bruchtheil der flüchtigen und geringwerthigen Arbeiten so klein. Mancher gute und schöne Gedanke ist noch in jenen Entwürfen niedergelegt, die keine nähere Berücksichtigung finden konnten.“ (Rüdell 1901)
Nachbereitung des Wettbewerbs: Ausstellung aller eingereichten Entwürfe „in einem der besten Säle der Kunsthalle Hamburg“
Folgen des Wettbewerbs: Ausführung bis Dezember 1906
„Der Entwurf zum Hamburger Hauptbahnhof steht nunmehr fest. Bekanntlich hatten sich die Architekten Reinhardt & Süßenguth in Charlottenburg an dem seinerzeitigen Wettbewerb um dieses Gebäude mit einem Entwurf in modernen Formen erfolgreich beteiligt. Auf Wunsch des Kaisers jedoch wurde der Entwurf in die Formensprache der norddeutschen Seestädte gekleidet und in dieser Gestalt auch von demselben genehmigt. Nunmehr ist den Architekten durch die kgl. Eisenbahn-Direktion die Bearbeitung des künstlerischen Teiles des Gebäudes, soweit architektonische Formen irgend welcher Art infrage kommen, übertragen worden. Der Bahnhof muß zum 1. Okt. 1906 dem Verkehr übergeben werden.“ (Deutsche Bauzeitung 1904)
„Wie die Bearbeitung des Entwurfes wurde auch die Ausführung unter Mitwirkung der Architekten Reinhardt und Süßenguth von der Königlichen Eisenbahndirektion Altona geleitet. Sie lag in den Händen des Leiters der ganzen Umgestaltung der Bahnhofsanlagen, des Ober- und Geh. Baurats Caesar und des Baurats Moeller. Ihnen standen die Regierungsbaumeister Markus, Maetzel, Dr. Wallbrecht und Pahde zur Seite. Die Entwürfe für die Bahnsteighallen hat der Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspektor Merling, die für das Eisenfachwerk der Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspektor Senst bearbeitet, die auch die Ausführung dieser Bauteile geleitet haben.“ (Rüdell 1906)


(zeitgenössische Ansichtskarten, Slg. Bücholdt)

Baukosten bei 1.027.000 M (Hochbauten mit Bahnsteighalle) + 4.351.000 M („Kasematten“ [= Tiefbau-Arbeiten?]);
Quellen / Literatur: - „Hm.“: Die Bahnhofsanlagen in Hamburg. - in: Deutsche Bauzeitung 34.1900, Nr. 38 (12.05.1900), S. 235-238 (Bericht über einen Vortrag von Rudolf Caesar vor dem AIV Hamburg über die Planungsgrundlagen)
- Centralblatt der Bauverwaltung 20.1900, Nr. 46 (Auslobungs-Anzeige)
- Centralblatt der Bauverwaltung 20.1900, Nr. 47 (16.06.1900), S. 288 („Vermischtes“) (Auslobung)
- Deutsche Bauzeitung 34.1900, Nr. 48 (16.06.1900), S. 299 f. („Preisbewerbungen“) (Auslobung, Kritik an hohen Forderungen)
- Deutsche Bauzeitung 34.1900, Nr. 63 (08.08.1900), S. 388 („Preisbewerbungen“) (weitere Kritik an den Forderungen)
- Centralblatt der Bauverwaltung 21.1901, Nr. 8 (30.01.1901), S. 52 („Vermischtes“) (Ergebnis)
- Alexander Rüdell: Der Wettbewerb um den Entwurf für das Empfangsgebäude auf dem neuen Hauptbahnhofe in Hamburg. - in: Centralblatt der Bauverwaltung 21.1901, Nr. 9 (02.02.1901), S. 53-55 (1/4) / Nr. 11 (09.02.1901), S. 65-68 (2/4) / Nr. 13 (16.02.1901), S. 77 f. (3/4) / Nr. 15 (23.02.1901), S. 89-92 (4/4)
- Julius Faulwasser: Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für das Empfangs-Gebäude des neuen Hauptbahnhofes in Hamburg. - in: Deutsche Bauzeitung 35.1901, Nr. 12 (09.02.1901), S. 69-74
- Deutsche Bauzeitung 35.1901, Nr. 15 (20.02.1901), S. 92 („Preisbewerbungen“) (Nachtrag zu Billing und Klingholz)
- Deutsche Bauzeitung 38.1904, Nr. 53 (02.07.1904), S. 331 („Chronik“) (Auftrag an Reinhardt und Süßenguth, Einmischung des Kaisers)
- Alexander Rüdell: Neuere Eisenbahnhochbauten. VII. Das neue Empfangsgebäude auf dem Hauptbahnhof in Hamburg. - in: Zentralblatt der Bauverwaltung 26.1906, Nr. 97 (01.12.1906), S. 619-622 (1/2) / Nr. 99 (08.12.1906), S. 632 f. (2/2)

Die beiden o. g. Aufsätze von Alexander Rüdell sind mit Illustrationen wiedergegeben auf der privaten Internetseite
„Mein altes Hamburg – Der Hamburger Hauptbahnhof“ von Andreas Pfeiffer (zuletzt abgerufen am 18.03.2019)
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empfohlene Zitierweise:
Hauptbahnhof Hamburg 1900 (Datenbank „archthek“, Auszug Architekturwettbewerbe; bearb. von Ulrich Bücholdt) – http://www.kmkbuecholdt.de/historisches/wettbewerbe/w0272.htm (Stand vom 12.04.2022, abgerufen...)

 

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