Ulrich Bücholdt

Bauhistoriker, M.A. – dwb, GWWG, GBTG

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Datenbank zur Bau- und Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts für den deutschsprachigen Raum

 


Architekturwettbewerbe


w0875

Ausgestaltung der Großen Weserbrücke in Bremen
1893
Aufgabe: architektonische bzw. dekorative Ausgestaltung einer Straßenbrücke über die Große Weser
„für den im konstruktiven Entwurf festgestellten Neubau der Großen Weserbrücke“, „eine auf zwei Pfeilern ruhende Auslegerbrücke mit gelenkartig aufgehängtem Mittelträger“ und Zügelgurten über den Strompfeilern
Standort: Bremen
über der Großen Weser (Hauptstrom) zwischen Altstadt und nordwestlichem Teil des Stadtwerders
Auslobung: Mitte August 1893 (?)
Frist: 25.09.1893
Auslober: Baudeputation
Bedingungen / Umfang: deutsche Architekten
Entwürfe für die Portale, die Brückenabschlüsse und die Gelenke (in 1:40) sowie für das Brückengeländer (in 1:20), geometrische Ansicht (in 1:150) und perspektivische Ansicht
vorgesehene Preisverteilung: 1.000 M / 500 M + Ankäufe je 300 M
Preisgericht: Senator Dr. Ernst Ferdinand Plump (Bremen)
Konsul Leopold Strube (Bremen)
Oberbaudirektor Ludwig Franzius (Bremen)
Franz Schwechten (Berlin)
Friedrich Thiersch (München)
Tagungstermin: ?
Anzahl der eingereichten Entwürfe: ?
prämierte Entwürfe / Teilnehmer: 1. Preis (1.000 M): „Sommerfrische 1893“, Hermann Billing (Karlsruhe)
2. Preis (500 M): „Hansa“ (2), Carl Moritz (Berlin)
zwei Ankäufe (je 300 M):
- „Schmiedekunst“, Bruno Möhring (Berlin)
- „Weser“, Walter Kern (Steglitz bei Berlin)
weitere Entwürfe / Teilnehmer: ...
Nachbereitung des Wettbewerbs: öffentliche Ausstellung aller Entwürfe vom 15. bis 28. Oktober 1893 in der Bremer Kunsthalle
Folgen des Wettbewerbs: Ausführung 1893-1895
Grundlage blieb der vor dem Wettbewerb aufgestellte konstruktive Entwurf von Ingenieur Theodor Rehbock (damals tätig als Regierungsbauführer bei der Baudeputation). Als Projektleiter innerhalb der Baudeputation für die weitere Planung und die Bauausführung wurde Bauinspektor Eduard Suling benannt. Entgegen anders interpretierbaren Meldungen in der Fachpresse wies Hermann Billing in einem am 28.03.1894 in der Deutschen Bauzeitung veröffentlichten Leserbrief ausdrücklich auf seine persönliche Beteiligung an der weiteren Entwurfs-Bearbeitung hin. In einer redaktionellen Fußnote dazu wird allerdings ein Beschluss der Bremer Bürgerschaft vom 14.03.1894 erwähnt, in dem die Bedingung formuliert wurde, „dass für die künstlerische Ausgestaltung im einzelnen die gelegentlich des vorjährigen Wettbewerbes als Preisrichter thätig gewesenen Architekten, Hrn. Prof. Fr. Thiersch-München und Brth. Schwechten-Berlin zur Mitarbeit heranzuziehen seien.“ Ob dieser Beschluss ein Ende von Billings Mitarbeit bedeutete, ist zweifelhaft. Möglicherweise wurden Schwechten und Thiersch um eine Art abschließende Begutachtung gebeten. Offensichtlich gab es aber weiterhin kontroverse Diskussionen um das Projekt. Hubert Wania vermerkte 1906 in seiner Chronik „Dreißig Jahre Bremen“ für den 28.06.1894: „Erwiderung des Bauinspektors Ed. Suling auf die Angriffe von G. H. Bruns jr., Mitglied der Bürgerschaft, wegen des Brückenbaues“. Bedenken gab es in erster Linie gegen die praktischen Auswirkungen der Brückenkonstruktion, da die in Fußgängerhöhe angeordneten kräftigen Fachwerkträger die Aussicht von der Brücke auf Fluss und Stadt versperrten und ein Ausweichen der Fußgänger auf die Fahrbahn [sic!] im Fall eines Massenandrangs oder einer Stockung verhinderten. Wohl nur aus der Ablehnung der geplanten Brücke heraus formierte sich eine „Freie Vereinigung Bremer Künstler und Ingenieure“ – von einem Autor der Deutschen Bauzeitung doch etwas gewagt mit dem Hamburger „Rathausbaumeisterbund“ verglichen –, die einen Gegenentwurf des Bremer Architekten Johann Georg Poppe propagierte: Drei gleich große Überbauten aus Eisenfachwerk-Bögen mit angehängter Fahrbahn und einer neobarocken Portalarchitektur in Obernkirchener Sandstein, bei der relativ schlanke seitliche Pfeiler einen übergroßen, überreich geschmückten Giebel tragen sollten. (Erwähnt wurde dabei eine Variante mit Portalarchitektur in Eisen, vermutlich Gusseisen.) Trotz des angeblich breiten Widerstands gegen den behördlichen Brückenentwurf konnte sich der Gegenvorschlag nicht durchsetzen – er erklärt aber möglicherweise die neobarocken Mauerwerks-Portale, die der in südlicher Verlängerung 1903 erbauten Kleinen Weserbrücke 1907 vorgeblendet wurden!
Fertigung und Montage der eisernen Überbauten erfolgten durch die AG für Eisen-Industrie und Brückenbau vorm. Johann Caspar Harkort (Duisburg). Wanias Chronk datiert die Eröffnung der Brücke auf den 30.10.1895.
Für den plastischen Schmuck (vier bronzene Löwenköpfe an den die Brückeneinfahrten flankierenden Pylonen, vier steinerne Löwenköpfe an den Köpfen der beiden Strompfeiler, weiterer Relief-Schmuck an den eisernen Bauteilen) nennen die bislang ausgewerteten Quellen keinen Bildhauer.


(zeitgenössische Ansichtskarten, Slg. Bücholdt)

1933-1939 genannt „Adolf-Hitler-Brücke“, 1939-1947 „Lüderitzbrücke“, ab 1947 wieder „Große Weserbrücke“
nach Kriegsschäden und Sprengung des Mittelteils bis 1947 mit Detailverlusten instandgesetzt; durch am 22.12.1960 eingeweihten Neubau (seit 1980 „Wilhelm-Kaisen-Brücke“ genannt) ersetzt und 1961 abgebrochen
1998 wurden zwei der steinernen Löwenköpfe von den Strompfeilern, die wohl 1945 bei der Sprengung verloren gingen, aus dem Flussbett geborgen und am Ufer aufgestellt. 2000 (?) wurden außerdem nicht genauer identifizierte Trümmer der Eisenkonstruktion aus der Weser gehoben.
Quellen / Literatur: - Deutsche Bauzeitung 27.1893, Nr. 66 (19.08.1893), S. 408 („Preisaufgaben“) (Auslobung)
- Centralblatt der Bauverwaltung 13.1893, Nr. 33 (19.08.1893), S. 343 („Vermischtes“) (Auslobung)
- Deutsche Bauzeitung 27.1893, Nr. 82 (14.10.1893), S. 508 („Preisaufgaben“) (Ergebnis)
- Centralblatt der Bauverwaltung 13.1893, Nr. 41 (14.10.1893), S. 431 („Vermischtes“) (Ergebnis)
- Albert Hofmann: Der Wettbewerb zur Erlangung von Skizzen für die künstlerische Ausgestaltung der Großen Weserbrücke zu Bremen. - in: Deutsche Bauzeitung 27.1893, Nr. 88 (04.11.1893), S. 537-539 (kritische Anmerkungen zu mehreren Entwürfen)
- Deutsche Bauzeitung 27.1893, Nr. 95 (29.11.1893), S. 587 (Notiz zur Eingabe „einer Reihe von Künstlern und Ingenieuren Bremens“)
- Fr. W. Rauschenberg (München): Die Gestaltung der neuen Weserbrücke in Bremen. - in: Deutsche Bauzeitung 27.1893, Nr. 100 (16.12.1893), S. 616-618 (Replik auf die o. g. Eingabe)
- F.: Zum Neubau der Großen Weserbrücke in Bremen. - in: Deutsche Bauzeitung 28.1894, Nr. 21 (14.03.1894), S. 129 f.
- Deutsche Bauzeitung 28.1894, Nr. 25 (28.03.1894), S. 156 („Vermischtes“) (Leserbrief von Billing)
- „Br.“: Die Große Weserbrücke in Bremen. - in: Deutsche Bauzeitung 28.1894, Nr. 33 (25.04.1894), S. 205 f. (Gegenentwurf von Poppe)
- Hubert Wania: Dreißig Jahre Bremen 1876-1905. Bremen: Carl Schünemann, 1906. S. 132 (Erwiderung Suhlings), S. 149 (Eröffnung)
- Das große Bremen-Lexikon. 2. Auflage 2003, Bd. 2, S. 969 f.
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empfohlene Zitierweise:
Ausgestaltung der Großen Weserbrücke in Bremen 1893 (Datenbank „archthek“, Auszug Architekturwettbewerbe; bearb. von Ulrich Bücholdt) – http://www.kmkbuecholdt.de/historisches/wettbewerbe/w0875.htm (Stand vom 04.01.2022, abgerufen...)

 

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