Ulrich Bücholdt

Bauhistoriker, M.A. – dwb, GWWG, GBTG

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Datenbank zur Bau- und Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts für den deutschsprachigen Raum

 


Architekturwettbewerbe


w0665

Rathaus in Wiesbaden
1882
Aufgabe: Rathaus
(freistehender Bau, städtebaulich eingepasst zwischen Marktkirche und geplantem Theater)
Standort: Wiesbaden, Schlossplatz / Marktplatz
(südlich der Marktkirche, Hauptfassade vis-à-vis des Schlosses)
Auslobung: (01.02.1882?)
Frist: 15.07.1882, verlängert bis 15.09.1882
Auslober: Stadt Wiesbaden
Bedingungen / Umfang: Baukosten max. 700.000 M
vorgesehene Preisverteilung: 5.000 M / 3.000 M / 2.000 M
Preisgericht: Julius Raschdorff (Prof. für Baukunst an der TH (Berlin-) Charlottenburg)
Johannes Otzen (Prof. für mittelalterlichen Backsteinbau an der TH (Berlin-) Charlottenburg)
Hermann Weyer (Stadtbaumeister in Köln)
Alexander Fach (Stadtbaumeister a.D. in Wiesbaden)
sowie Oberbürgermeister Wilhelm Lanz († 07.05.1882), vermutlich ersetzt durch seinen Amtsnachfolger Christian Schlichter
und zwei Vertreter der Stadtgemeinde
Tagungstermin: 24.09.1882
Anzahl der eingereichten Entwürfe: 72 oder 81
prämierte Entwürfe / Teilnehmer: 1. Preis (6.000 M):
Nr. 35, „Im deutschen Gau ein deutscher Bau“, Franz Ewerbeck (Prof. für für Formenlehre der Baukunst an der TH Aachen) mit [seinem ehemaligen Schüler] Albert Neumeister (Wiesbaden)
2. Preis (3.000 M):
Nr. 69, „Taunus“, G. Heine [Gustav Heine?] und E. Bühring [Ernst Bühring?] (Hannover)
3. Preis (1.000 M):
Nr. 79, „Kampf um's Dasein“, Johannes Vollmer (Assistent von Johannes Otzen an der TH (Berlin-) Charlottenburg)
wegen Überschreitung der Grundstücksgrenzen disqualifiziert, aber dennoch juriert und zum Ankauf empfohlen:
Nr. 55, „Curia“, Max Friedeberg und G. Wehling (Berlin)
weitere Entwürfe / Teilnehmer: in engster Wahl:
Nr. 9/10 [sic!], „Fortuna in concordia“, Matthias von Holst und Carl Zaar (Berlin)
Nr. 48, „Deutsche Weise“, Ludwig Schupmann (Berlin)
Nr. 68, „Publico-Consilio“, Otto van Els und Bruno Schmitz (Düsseldorf)
in engerer Wahl:
Nr. 15, „Saxa loquuntur“, Hans Grisebach (Berlin) und Hugo Groothoff (Wiesbaden)
Nr. 67, „Saluti publicae“, Heinrich Brost und Karl Grosser (Breslau)
Nr. 70 „H. E.“, Carl Hocheder und Karl Ellersdorfer (München)
außerdem (nach dem Bericht von Georg Frentzen ebenfalls in engerer Wahl):
Nr. 41, [Anker im Kreis], N.N. / Nr. 63, [Hexagon im Kreis], N.N. / Nr. 61, „Deutsch“, N.N. / Nr. 76, „Lucas“, N.N.
sowie:
Nr. 36, „Justitia“, Franz von Hoven (Frankfurt am Main) / Nr. 56, „Zum Wohl der Stadt“, N.N.

Unter den nicht namentlich zugeordneten evtl. auch der Wettbewerbsentwurf von Karl Weißbach und Carl Barth (Dresden)

Von den kurzen Notizen und dem ausführlicheren Bericht Frentzens in der Deutschen Bauzeitung weicht die Mitteilung im Centralblatt der Bauverwaltung vom 30.09.1882 rein zahlenmäßig deutlich ab:
„Die Gesamtzahl beträgt 81, darunter eine erhebliche Anzahl werthvoller Arbeiten; 32 sind in der engeren Wahl gewesen, 17 in der letzten. Die ganz überwiegende Zahl gehört der Stilfassung der Renaissance an, und zwar durch alle Stufen von strengerer italienischer Auffassung bis in die Spitzen der nordischen, namentlich deutschen Renaissance; auch die florentinische Art, wie beim Berliner Rathhaus, ist mehrfach vertreten; mindestens ein Thurm fehlt wohl nirgends, wird auch einige Male durch eine Kuppel ersetzt. Der Renaissance in verschiedenster Auffassung gehören 74 Pläne an, die übrigen 7 sind mehr oder minder frei gothisch behandelt [...].“
Nachbereitung des Wettbewerbs: Ab 27.09.1882 „sind sämtliche Pläne in den Räumen der Gewerbeschule in geschickter Anordnung öffentlich ausgestellt.“
Folgen des Wettbewerbs: 1883 erfolgte die Erstellung eines komplett neuen Entwurfs unter allgemeiner Berücksichtigung der Wettbewerbsergebnisse durch Stadtbaumeister Lemcke, diesen Entwurf überarbeitete Georg von Hauberrisser (München), unter dessen Leitung der Neubau schließlich 1884-1887 ausgeführt wurde. In seiner Grundrissfigur bzw. Massengruppierung ist keiner der prämierten oder angekauften Wettbewerbsentwürfe wiederzuerkennen.


Nordwestseite am Schlossplatz und Schrägluftbild von Südosten (nach zeitgenössischen Ansichtskarten, Slg. Bücholdt)

Die Deutsche Bauzeitung berichtete Anfang 1884:
„Bekanntlich war seinerzeit keiner der in der öffentlichen Konkurrenz prämierten Pläne zur Ausführung gewählt worden, sondern die Stadt hatte, mit Umgehung der in der Konkurrenz siegreichen Architekten, ihren Stadtbaumeister Hrn. Lemcke mit der Aufstellung eines neuen Entwurfs beauftragt, für welchen das in der Konkurrenz gewonnene Ideen-Material verwerthet werden sollte. Hr. Lemcke, der vom 1. Febraur 1884 die mit 5.400 M dotirte, vierteljährlich kündbare Stelle verlässt, um das ungleich dankbarere Amt eines Stadtbaumeisters von Bonn anzutreten, hat jenem Auftrage entsprochen und seinen Entwurf den städtischen Behörden eingereicht. Die letzteren haben die Ausführung derselben jedoch nicht dem neu gewählten Stadtbaumeister Hrn. Israel (bisher Kreis-Kommunal-Baumeister in Ottweiler) übertragen, sondern hierfür Hrn. Prof. G. Hauberrisser in München gewonnen, welcher zu diesem Zwecke den Lemckeschen Entwurf abermals einigen (angeblich nicht sehr erheblichen) Änderungen unterzogen hat. – Man darf gespannt drauf sein, wie schließlich der unfehlbar bevor stehende Streit über die Vaterschaft des Werkes von der öffentlichen Meinung entschieden werden wird.“

Das Rathaus wurde im Februar 1945 zum Teil zerstört und 1950-1951 verändert wiederaufgebaut, davon betroffen war insbesondere die Hauptschauseite zum Schlossplatz.
Quellen / Literatur: - Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 5 (18.01.1882), S. 26 („Konkurrenzen“) (Vorankündigung)
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 10 (04.02.1882), S. 58 („Konkurrenzen“) (Auslobung)
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 21 (15.03.1882), S. 122 („Konkurrenzen“) (Fristverlängerung geplant)
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 23 (22.03.1882), S. 134 („Konkurrenzen“) (Fristverlängerung)
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 75 (20.09.1882), S. 442 („Konkurrenzen“) (Anzahl)
- Centralblatt der Bauverwaltung 2.1882, Nr. 39 (30.09.1882), S. 357 („Vermischtes“) (Ergebnis)
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 78 (30.09.1882), S. 462 („Konkurrenzen“) (Preisträger, Verweis auf Bekanntmachung des Auslobers im Anzeigenteil)
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 79 (04.10.1882), S. 466 („Konkurrenzen“) (Nummern und Motti, ohne Namen)
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 80 (07.10.1882), S. 474 („Konkurrenzen“) (Korrektur zu Nr. 79)
- Centralblatt der Bauverwaltung 2.1882, Nr. 40 (07.10.1882), S. 366 („Vermischtes“) (Nachtrag wegen Ewerbeck und Neumeister)
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 83 (18.10.1882), S. 490 („Konkurrenzen“) (Nennung Friedeberg und Wehling)
- Georg Frentzen: Die Konkurrenz für Entwürfe zu einem neuen Rathhause für Wiesbaden. - in: Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 86 (28.10.1882), S. 503 f. , S. 507 / Nr. 88 (04.11.1882), S. 515-517
- Deutsche Bauzeitung 16.1882, Nr. 87 (01.11.1882), S. 514 („Konkurrenzen“) (Kritik an der Jury und Erwiderung darauf)
- Centralblatt der Bauverwaltung 3.1883, Nr. 52 (29.12.1883), S. 486 („Vermischtes“) (Oberleitung durch Hauberrisser nach Überarbeitung)
- Deutsche Bauzeitung 18.1884, Nr. 2 (05.01.1884), S. 12 („Vermischtes“) (Ausführungsplanung von Lemcke, Überarbeitung durch Hauberrisser)
- Architektonische Rundschau 3.1887, H. 4, Tafel 25 + Textblatt (Ansicht und Grundrisse des Entwurfs von Weißbach und Barth)
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empfohlene Zitierweise:
Rathaus in Wiesbaden 1882 (Datenbank „archthek“, Auszug Architekturwettbewerbe; bearb. von Ulrich Bücholdt) – http://www.kmkbuecholdt.de/historisches/wettbewerbe/w0665.htm (Stand vom 03.01.2022, abgerufen...)

 

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