Ulrich Bücholdt

Bauhistoriker, M.A. – dwb, GWWG, GBTG

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Datenbank zur Bau- und Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts für den deutschsprachigen Raum

 


Architekturwettbewerbe


w1173

Stadttheater in Essen
1889
Aufgabe: Theater („Volkstheater“)
freistehend auf einem durch Umlegungen und Abbrüche neu geschaffenen Platz
Standort: Essen-Mitte, Theaterplatz
Auslobung: (01/1889?)
Frist: 31.03.1889
Auslober: Stadt Essen (Oberbürgermeister)
Grundlage war die 1887 von dem Essener Industriellen Friedrich Grillo (1825-1888) angekündigte Stiftung in Höhe von 500.000 M mit Zweckbestimmung zum
Theaterbau, die jedoch bis zu seinem Tod nicht juristisch vollzogen oder testamentarisch festgelegt war, sondern erst von seiner Witwe Wilhelmine Grillo geb.
von Born
(1829-1904) in die Tat umgesetzt wurde. Sie selbst stiftete das Grundstück ihres Elternhauses, das von der Stadt um benachbarte Grundstücke
erweitert und abgerundet wurde. Das Haus wurde später als Grillo-Theater benannt.
Bedingungen / Umfang: 800 Plätze in vier Kategorien („Rängen“); Baukosten max. 400.000 M;
Grundrisse 1:200, Ansichten und Schnitte 1:100, perspektivische Skizze, Lageplan, Erläuterungsbericht
„Die Stadt Essen gehört zu den bedeutendsten Industriestädten Rheinlands und Westfalens und besitzt 74.000 Einwohner,
von denen etwa 44.000 dem Arbeiterstande angehören. Das Programm spricht deutlich aus, daß auf eine so erhebliche
Arbeiterbevölkerung Rücksicht genommen werden solle. Durch die Bestimmung, daß die Zugänge zum 1. und 2. Platz
gemeinschaftlich sein können, dagegen von den Zugängen zum 3. und 4. Platz vollständig getrennt werden sollen, werden
die Besucher des Theaters von vornherein in zwei Hauptgruppen zu etwa 300 und 500 Personen getheilt, von denen die
kleinere den bemittelteren Theil der Bevölkerung enthält, die größere hauptsächlich durch den Arbeiterstand gebildet
wird. Die weitere Trennung der ersten Gruppe in zwei Ränge, von denen der erste 80 Personen, der zweite 220 bis 260
Personen aufnehmen soll, läßt darauf schließen, daß der zweite Rang durchweg für die bemitteltere Klasse bestimmt ist,
während der erste Rang mit seiner geringen Zahl von Plätzen einzelne reiche Familien der Stadt und hochstehende fremde
Personen, welche häufig die Krupp'sche Gußstahlfabrik besuchen, aufnehmen soll. Die Theilung der zweiten Gruppe in
einen 3. und 4. Platz für 200 und 300 Personen beabsichtigt jedenfalls die Trennung der Meister und sonstigen nächsten
Vorgesetzten der Arbeiter, sowie des weniger bemittelten Bürgerstandes von den Arbeitern. Das Bauprogramm ist von
den Preisrichtern aufgestellt, und es muß rühmend hervorgehoben werden, daß dasselbe sowohl für den Zuschauerraum
als auch für das Bühnenhaus so eingehende Bestimmungen über Treppen, Flurgänge, Erfrischungsräume, Größe der
Sitzplätze, Bühneneinrichtung, Feuersicherheit usw. enthielt, daß dem entwerfenden Architekten hierdurch von
vornherein eine klare Aufgabe gestellt wurde.“
(Centralblatt der Bauverwaltung)
„Das starke Übergewicht, welches demnach den geringwerthigeren Plätzen eingeräumt werden soll, hat wohl dazu geführt,
das Theater als Volkstheater zu bezeichnen. [...] Besondere ästhetische Anforderungen werden ebenso wenig gestellt, wie
Vorschriften über die Wahl des Baumaterials für die Fassaden des Gebäudes gegeben sind; die bescheidene Bausumme lässt
es jedochals selbstverständlich erscheinen, dass nur auf eine Ausführung einfachster Art gerechnet werden kann. [...]
Eine Entscheidung über die Bauausführung hat sich die Stadtgemeinde vorbehalten, ohne dem Verfasser des etwa
auszuführenden Entwurfs einen Antheil an der Bauleitung zu sichern.“
(Deutsche Bauzeitung)
vorgesehene Preisverteilung: 3.000 M / 2.000 M / 1.000 M, Ankäufe je 600 M vorbehalten
Preisgericht: Anton Anno (1838-1893) (Schauspieler, Direktor des Kgl. Schauspielhauses in Berlin)
Baurat Wilhelm Boeckmann (Berlin)
Oberinspektor Brandt (Berlin)
Hermann von der Hude (Berlin)
Stadtbaumeister Friedrich Wiebe (Essen)
Zivilingenieur Hugo Wippermann († 1910) (Essen) (technischer Berater von Friedrich Grillo, Vertrauter der Witwe Wilhelmine Grillo)
Oberbürgermeister Erich Zweigert (1849-1906) (Essen)
Tagungstermin: (April 1889)
Anzahl der eingereichten Entwürfe: 34
prämierte Entwürfe / Teilnehmer: 1. Preis: „Cubikmeter 18,15 M“, Heinrich Seeling (Berlin)
2. Preis: „Volkslust“, Georg Weidenbach (Leipzig)
3. Preis (durch Los-Entscheid): „Was ihr wollt“, Arch. A. Helff (Essen)
zur Prämierung mit einem (nicht ausgelobten) 4. Preis vorgeschlagen, offiziell deklariert als Ankauf: „Allegro“, Arch. C. Heintze (Breslau)
weitere Entwürfe / Teilnehmer: (außer den o. g. weitere sieben Entwürfe in engerer Wahl)
„Pax“, Emil Hoffmann (o.O.) / „Kalliope“, N.N. / „Glückauf“ (I), N.N. / „Glückauf“ (II), N.N. / „Glückauf“ (III), N.N. / „Industrie“, N.N. / „Usui publico“, N.N. / „Nicht nur zur Last“, N.N. / „Polyhymnia“, N.N. / „Grillo“, N.N.
Nachbereitung des Wettbewerbs: Ausstellung im Sitzungssaal des Essener Rathauses
Folgen des Wettbewerbs: Ausführung 1890-1892 nach Entwurf von Heinrich Seeling


(zeitgenössische Ansichtskarte, Slg. Bücholdt)

1907-1908 um Kulissenmagazin auf nördlich benachbartem Grundstück erweitert (mit Straßenüberbauung);
nach erheblichen Kriegsschäden teilweise stark verändert wiederaufgebaut; im Inneren seither noch mehrfach umgestaltet
Quellen / Literatur: - Deutsche Bauzeitung 23.1889, Nr. 2 (05.01.1889), S. 12 („Preisaufgaben“) (Auslobung)
- Centralblatt der Bauverwaltung 9.1889, Nr. 1 (05.01.1889), S. 7 („Vermischtes“) (Auslobung)
- Deutsche Bauzeitung 23.1889, Nr. 35 (01.05.1889), S. 208 („Preisaufgaben“) (Ergebnis)
- Centralblatt der Bauverwaltung 9.1889, Nr. 17A (01.05.1889), S. 162 („Vermischtes“) (Ergebnis)
- „–e“: Das Essener Stadttheater. - in: Centralblatt der Bauverwaltung 9.1889, Nr. 20 (18.05.1889), S. 179 f. (1/2) / Nr. 21 (25.05.1889), S. 192 f. (2/2)
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empfohlene Zitierweise:
Stadttheater in Essen 1889 (Datenbank „archthek“, Auszug Architekturwettbewerbe; bearb. von Ulrich Bücholdt) – http://www.kmkbuecholdt.de/historisches/wettbewerbe/w1173.htm (Stand vom 03.01.2022, abgerufen...)

 

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