Ulrich Bücholdt

Bauhistoriker, M.A. – dwb, GWWG, GBTG

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Datenbank zur Bau- und Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts für den deutschsprachigen Raum

 


Architekturwettbewerbe


w0156

Westfälisches Provinzialmuseum in Münster
1901
Aufgabe: Museumsgebäude
als Anbau bzw. Erweiterungsbau zum alten Landeshaus
Standort: Münster (Westfalen), Domplatz 10
Auslobung: (08/1901)
Beschluss des 45. Westfälischen Provinziallandtags zur Durchführung eines Wettbewerbs am 05.03.1901,
Programm und Bedingungen von der Baukommission abschließend beraten am 02.08.1901
Frist: 16.12.1901
Auslober: Landeshauptmann der Provinz Westfalen [i. e. Ludwig Holle ]
(Baukommission, bestehend aus Holle und den Landtags-Mitgliedern Exc. Geheimrat Alexander von Oheimb, Ignatz Reichsfreiherr von Landsberg zu Velen und Steinfurt, Carl Hubert Freiherr von Wendt, Fabrikant August(?) Sternenberg, Bergrat Eduard Kleine, Clemens August Freiherr von Heereman von Zuydwyck, Landrat Florens von Bockum gen. Dolffs, Landrat Dr. jur. utr. Georg von Borries sowie Landeshauptmann a.D. August Overweg und Prof. Dr. phil. Bernhard Niehues) [vgl. auch Preisgericht]
Bedingungen / Umfang: deutsche Architekten
„erweiterungsfähige Museumsanlage“, „unter Erhaltung des auf der Baustelle stehenden gothischen alten Landeshauses“
„In den Neubau sind eine auf der Pariser Weltausstellung erworbene geschnitzte Holztreppe mit Decke sowie 3 Glasmosaikgemälde an hervorragender Stelle einzufügen. Über den Stil des neuen Gebäudes, das in echten Materialien zu erstellen ist, sind außer den Bedingungen, welche die Örtlichkeit stellt, weitere Bedingungen nicht gemacht.“

wesentliche Zeichnungen in 1:200 und 1:100 sowie ein Schaubild; Kostenrahmen 325.000 M (maximal 5 % Überschreitung);
„Für die Bauausführung behält sich die Provinzial-Verwaltung freie Hand vor.“
vorgesehene Preisverteilung: 3.000 M / 2.000 M / 1.000 M und Ankäufe je 500 M
Preisgericht: Geheimer Regierungsrat Prof. Hermann Ende (Berlin)
Geheimer Baurat Prof. Hubert Stier (Hannover)
Baurat Albert Ludorff (westfälischer Provinzialkonservator, Münster)
Landesbaurat Hermann Zimmermann (Münster)
Geheimer Oberregierungsrat Ludwig Holle (1855-1909) (Landeshauptmann der Provinz Westfalen)
Exc. Kammerherr Dr. jur. Ignatz Reichsfreiherr von Landsberg zu Velen und Steinfurt (1830-1915) (Mitglied des preußischen Herrenhauses, Mitglied des westfälischen Provinziallandtags, Vorsitzender des westfälischen Provinzialausschusses, Vorsitzender der Landwirtschaftskammer, Mitglied der Baukommission)
Dr. jur. Clemens August Freiherr von Heereman von Zuydwyck (1832-1903) (Mitglied des Reichstags, Vizepräsident des preußischen Abgeordnetenhauses, Mitglied des westfälischen Provinziallandtags, Mitglied der Baukommission, seit 1897 Ehrenbürger der Stadt Münster)
Heinrich Frauberger (1845-1920) (Kunsthistoriker, Direktor des Kunstgewerbemuseums Düsseldorf, Direktor des Central-Gewerbe-Vereins für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke)
als Ersatzpreisrichter nominiert:
Geheimer Baurat Oskar Hossfeld (vortragender Rat im preuß. Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Referat für Kirchenbau)
Tagungstermin: wegen Verhinderung von Preisrichtern verschoben auf 31.01.1902
Anzahl der eingereichten Entwürfe: 35 (sowie drei Varianten)
prämierte Entwürfe / Teilnehmer: kein 1. Preis
zwei 2. Preise (je 2.000 M):
- „Wittekind“, Carl Teichen und Architekt R. Schlüter (Berlin)
- „Spökenkieker“, Hermann Schaedtler und C. Müller (Hannover)
zwei 3. Preise (je 1.000 M):
- „Jan von Leyden“, stud. arch. Hugo Kölling (aus Münster, z. Zt. in München)
- „St. Ludgerus“, Alfred Schulz (in Büro Schulz und Schlichting, Berlin)
zwei Ankäufe:
- „Rothe Erde“, Adolf Rauchheld (Oldenburg i.O.)
- „Am Domplatz“, Hubert Holtmann (Münster)
weitere Entwürfe / Teilnehmer: Georg Roensch (Berlin)
Nachbereitung des Wettbewerbs: Ausstellung aller 35 eingereichten Entwürfe vom 4. bis 15. Februar 1902 im Landtagssitzungssaal des Landeshauses in Münster
Folgen des Wettbewerbs: Wichtigstes Ergebnis des Wettbewerbs war die Erkenntnis, dass der Erhalt des alten Landeshauses eine zu starke Einschränkung bedeutete. Während einige Entwürfe für die äußere Gestaltung einen einigermaßen harmonischen Konrast zwischen Altbau und Neubau zeigten, waren eigentlich alle Teilnehmer an einer funktional befriedigenden Kopplung der Grundrisse gescheitert. Insbesondere die Geschoss-Teilung des Altbaus konnte nicht so in den Neubau übernommen werden, dass sich sowohl ein Rundgang durch alle Ausstellungsräume als auch harmonische und repräsentative Raumfolgen ergaben. Die beiden mit 2. Preisen ausgezeichneten Entwürfe wurden daher 1902 in einer engeren Konkurrenz (d. h. einer zweiten Wettbewerbsstufe) von ihren Verfassern bis zum 10. November entsprechend überarbeitet. Die um den Maler Prof. Fritz Roeber, Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, erweiterte Jury trat am 1. Dezember zusammen und präferierte den Entwurf von Teichen, der allerdings unter Berücksichtigung aller Kritikpunkte der Jury nochmals überarbeitet werden sollte. Teichen erledigte das bis zum 1. März 1903. Der am 20. März 1903 tagenden Baukommission lag dann allerdings auch ein überarbeiteter Entwurf von Schaedtler vor – was bzw. wer ihn dazu veranlasst hatte, ist unklar. Während Teichens Entwurf nun im Grundriss Zustimmung fand, waren dessen Fassaden in den Augen der Kommission zu wenig auf die lokale Architekturtradition bezogen. In diesem Punkt hatte Schaedtlers Entwurf im November 1902 mehr Beifall gefunden, in der Überarbeitung hatte er die Grundrisse entscheidend verbessert – wobei diese Verbesserung anscheinend auf einer schon zuvor skizzierten, aber zunächst nicht weiter verfolgten eigenen Idee beruhte. Wohl nicht zuletzt unter dem Termindruck durch die nächste Landtagssitzung, in der die Bausführung beschlossen werden sollte, sah man von einem erneuten, zeitraubenden Auftrag zur Überarbeitung an Teichen ab, sondern wandte sich einstimmig Schaedtlers Entwurf zu. Teichen protestierte entschieden gegen dieses Vorgehen und mobilisierte dazu auch seinen wohlhabenden und einflussreichen Schwiegervater Richard Roesicke (Mitinhaber und Generaldirektor der Berliner Schultheiß-Brauerei AG), der Mitte April 1903 einen ausführlichen Beschwerdebrief an Landeshauptmann Holle sandte. Da man sich 1901 in den Bedingungen klugerweise „freie Hand“ vorbehalten hatte (s. o.), lief der Protest ins Leere. Der Provinziallandtag beschloss am 5. Mai 1903 die Ausführung nach dem letzten Entwurf von Schaedtler. Der Architektenvertrag wurde am 23. Juli 1903 – zwei Tage nach dem Tod von Roesicke – geschlossen und sicherte Schaedtler die künstlerische Leitung zu. Die Bauausführung vor Ort erfolgte unter Leitung von Landesbaurat Zimmermann und Mitarbeit des Architekten Bruns. Teichen war zu dieser Zeit bereits schwer erkrankt und konnte seine berechtigten Interessen nicht mehr vertreten, im Herbst 1903 starb er. Fünf Jahre später wurde die Darstellung der Planungsgeschichte dahingehend „vereinfacht“, dass Erkrankung und Tod eine weitere Zusammenarbeit verhindert haben. Über Verstorbene (und sich selbst) soll man bekanntlich nichts Schlechtes sagen.
Der Baubeginn erfolgte im Frühjahr 1904, die Rohbau-Fertigstellung 1905, der technische Ausbau bis Ende 1906. Der weitere Innenausbau wurde vor der Nutzung für das Festbankett beim Besuch des deutschen Kaiserpaars in Münster Ende August 1907 fertiggestellt. Anschließend wurden die Exponate eingebracht und die Dauerausstellung arrangiert, die Einweihung wurde am 17. März 1908 gefeiert. Die Gesamt-Baukosten wurden damals auf rund 850.000 M beziffert. (vergleiche oben!)
Nach schweren Kriegsschäden wurde das Gebäude mit Veränderungen wiederaufgebaut. Der moderne Erweiterungsbau von 1974 wurde 2009 bis 2014 durch einen Neubau ersetzt. Das Museum firmiert heute als „LWL-Museum für Kunst und Kultur“.
Quellen / Literatur: - Centralblatt der Bauverwaltung 21.1901, Nr. 64 (14.08.1901), S. 395 („Vermischtes“) (Auslobung)
- Deutsche Bauzeitung 35.1901, Nr. 65 (14.08.1901), S. 404 („Preisbewerbungen“) (Auslobung)
- Centralblatt der Bauverwaltung 21.1901, Nr. 66 (21.08.1901), S. 408 („Vermischtes“) (Erläuterungen)
- Deutsche Bauzeitung 35.1901, Nr. 68 (24.08.1901), S. 424 („Preisbewerbungen“) (Erläuterungen)
- Berliner Architekturwelt 4.1901/1902, H. 6 (September 1901), S. 226 (Auslobung)
- Deutsche Bauzeitung 36.1902, Nr. 4 (11.01.1902), S. 24 („Preisbewerbungen“) (Terminverschiebung)
- Centralblatt der Bauverwaltung 22.1902, Nr. 10 (05.02.1902), S. 64 („Vermischtes“) (Ergebnis)
- Deutsche Bauzeitung 36.1902, Nr. 11 (05.02.1902), S. 71 („Preisbewerbungen“) (Ergebnis)
- Deutsche Bauzeitung 36.1902, Nr. 101 (17.12.1902), S. 648 („Preisbewerbungen“) (engerer Wettbewerb zugunsten Teichens)
- Deutsche Bauzeitung 37.1903, Nr. 27 (04.04.1903), S. 176 („Preisbewerbungen“) (Ausführung nach überarbeitetem Entwurf von Schaedtler)
- Deutsche Bauzeitung 37.1903, Nr. 82 (14.10.1903), S. 528 („Personal-Nachrichten“) (Notiz zum Tod Teichens)
- Deutsche Konkurrenzen, Bd. 14, H. 5 = Nr. 161
- Vereinigung Berliner Architekten 1879-1904 (Perspektive des Entwurfs von Georg Roensch)
- Heiko K. L. Schulze: Das Westfälische Provinzialmuseum Münster. Planung, Entwürfe, Wettbewerbe 1879-1908. Münster, 1983. ISBN 3-88789-060-4
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w0156


empfohlene Zitierweise:
Westfälisches Provinzialmuseum in Münster 1901 (Datenbank „archthek“, Register der Architekturwettbewerbe; bearb. von Ulrich Bücholdt) – http://www.kmkbuecholdt.de/historisches/wettbewerbe/w0156.htm (Stand vom 20.11.2021, abgerufen...)

 

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